Caligula
von Albert Camus

Wenn in großen Reden die Freiheit beschworen wird, ist allzu oft eben nur die Freiheit der Mächtigen gemeint. Nichts wird daran besser, wenn die Mächtigen auch noch sich selbst für die Andersdenkenden halten oder es sogar sind.

Um ein Historiendrama ging es Albert Camus (1913 - 1960) mit seinem 1945 uraufgeführten Vierakter Caligula ganz gewiss nicht. Die existentialistischen Fragen sind es, die ihm am Herzen lagen, die sich durch sein gesamtes Schaffen ziehen, nicht nur durch seinen berühmten Roman "Die Pest", sondern auch seine Stücke: Lohnt das Leben die Mühe, gelebt zu werden? Wie rechtfertigt sich das Dasein? Kämpft man nur immerfort vergeblich wie Sisyphos steinbeladen gegen den Berg? Und er entlässt uns nicht mit einfachen Antworten.

Wenn das Geld, wenn der Staatsschatz wichtig ist, dann kann das Menschenleben nicht wichtig sein. Sätze so klarer Logik schleudert uns Camus mit seinem Stück Caligula allenthalben ins Gesicht. Dabei erspart er uns auch nicht ihre letzte Konsequenz. Wir hingegen wissen inzwischen, dass nichts so überspitzt ist, dass es nicht von der Wirklichkeit eingeholt würde. Leben wir nicht schon in einer Welt, wo der ausgefallenste Gedanke in Sekundenschnelle Wirklichkeit werden kann und meistens auch wird und in die Realität eindringt wie ein Messer ins Herz?

Zusehen, wie der Sinn des Lebens aufgelöst wird, wie unsere Daseinsberechtigung verschwindet, das ist unerträglich. Man kann nicht leben, wenn das Leben keinen Sinn hat. Aber welchen Sinn hat das Leben, und welchen die Macht? Camus zeigt, dass nicht nur die Herrschaft von Machtbesessenen mörderisch sein kann, sondern auch das verzweifelte Suchen eines unfreiwillig Mächtigen nach einem Sinn der Macht. Dem Gerechtigkeitsstreben Caligulas kann man seine Sympathie nicht einmal gänzlich verweigern, doch muss der zerquälte Weltverbesserer da die Welt sich seinem Wollen sperrt wohl die Welt beseitigen, will er konsequent bleiben.

Das Vorhaben, Himmel und Meer zu vermischen, das Schöne mit dem Hässlichen, Glück und Leid einzuebnen, an dem Caligula scheitern muss vollzieht Camus in seinem Stück: Gut und Böse gehen ineinander über, Selbstsucht und die Berufung zum Erlöser werden ununterscheidbar, Liebe und Hass morden gemeinsam, Dummheit und Gerissenheit verbünden sich gegen den zur Perfidie entarteten hohen Geist, alle Grenzen verwischen, und doch entstehen daraus wieder neue Brüche. Das Grauen ist bei Camus der Zwilling des Witzes: Das rebellische Bonmot Regieren heißt stehlen, das weiß jedes Kind etwa wird im Munde des mutwilligen Herrschers zur bluttriefenden Sense. Die Paarung von Zynismus mit Macht ist mörderisch. Camus läßt uns nur die Wahl zwischen zwei Spielarten von Zynismus der Macht. Welchen Wert hat es für die Opfer beider, wer Sieger wird in diesem Spiel?

"Niemand, gar niemand, wird künftig in meinen Augen recht haben" wird Scipio zum Herausforderer Caligulas sagen.


Fotos:

Trailer:
Trailer zu Caligula
Format:MPEG-1; Größe: 14 MB

Besetzung:
Caligula (Gaius Julius Caesar Germanicus):Thomas Liebezeit
Caesonia:Ruth Hörnlein
Cherea:Andreas Vogel
Helicon:Evelyn Stumpf
Scipio:Kai Weber
Senectus (der alte Patrizier):Kay Gürtzig
Oberhofmeister:Marcel Norbey
1. Patrizier (Lepidus):Gerit Schwanengel, Peter Herd
2. Patrizier (Mucius):Marcel Becker
3. Patrizier (Fabius):Peter Herd
Merea (Mucius' Frau):Gerit Schwanengel, Ines Lehmann
Wachen:Kai Weber, Marcel Becker, Gerit Schwanengel, Ines Lehmann, Marcel Norbey, Peter Herd
Dichterstimmen:Kay Gürtzig, Ines Lehmann, Marcel Norbey, Evelyn Stumpf
Regie, Bühnenbild:Andreas Vogel, Kay Gürtzig
Technik, Requisite, Ton:Michael Richter, Peter Herd
Beleuchtung:Susanne Günther
Soufflage:Michaela Tahl
Programmheftgestaltung, Plakat:Kay Gürtzig